Heiniger

Vorwort von Pedro Lenz zum Buch «Mein Emmental», das Mitte September 2022 erscheint:

Im Emmental aufgewachsen und eingewachsen

Der Musiker und Poet Tinu Heiniger, von dem es nicht selten heisst, er sei der Doyen der
Schweizer Liedermacher, ist ganz nebenbei gesagt auch ein hervorragender Erzähler. Man
hängt ihm an den Lippen, wenn er nach Konzerten, auf langen Autofahrten oder am Telefon
Geschichten erzählt, Geschichten aus seinem Leben oder Geschichten aus dem Leben
anderer. Sein Fundus scheint unendlich und man hört ihm immer gerne zu, weil er einen
einmaligen Erzählrhythmus hat. Diesen Rhythmus, den man heute auch gerne Flow nennt,
dürfen wir auch in diesen niedergeschriebenen Geschichten geniessen. Tinu Heiniger hat
nämlich die Gabe, seine mündliche Unmittelbarkeit im geschriebenen Text beizubehalten.
Das hat wohl damit zu tun, dass er nicht dem verbreiteten Irrglauben folgt, die
Schreibsprache müsse gescheiter klingen als die gesprochene Sprache. Wir können Heinigers
Geschichten lesen, als hörten wir seinen Liedern zu, mit der Neugier der Kinder, mit beinahe
geschlossenen Augen und voller Hingabe.
Heiniger kommt aus Langnau im Emmental. Dort ist er aufgewachsen und beinahe ist man
versucht zu sagen, dort sei er eingewachsen. Zwar lebt er schon seit vielen Jahren im Aargau,
aber in seiner Sprache, in seinen Erzählungen und in seinen Liedern ist das Emmental mit
seiner urwüchsigen Landschaft und seinen nicht weniger urwüchsigen Bewohnerinnen und
Bewohnern omnipräsent. Und wie so viele, die in einem Dorf aufgewachsen sind, hat Tinu
Heiniger einen weiten Horizont. Das Dorfleben verlangt einem einiges ab. Toleranz,
Anpassungsfähigkeit, Schlauheit und manche andere Eigenschaft, die einen später im Leben
weiterbringt, lassen sich in der dörflichen Gemeinschaft nicht nur bestens erlernen, sie sind
dort gleichsam überlebensnotwendig. Im Dorf seiner Kindheit, füllte sich der feinsinnige und
manchmal auch geplagte Bub seinen poetischen Rucksack. Das geschah unbewusst, beim
Sport, in der Schule, in der Kirche, in der Familie oder bei seiner über alles geliebten Musik.
Und wie alle wahren Poeten kann Heiniger ein Leben lang von dieser kindlichen Prägung
zehren.
Wir Fans, die schon den jungen, aufmüpfigen, oft wütenden Rebellen gekannt haben, spüren
im Werk des älteren, milderen und weiser gewordenen Tinu Heiniger noch immer seine
typische Ausdrucksstärke. Denn auch wenn er versöhnlicher geworden ist, spricht uns in
diesem Buch die gleiche Poesie und die gleiche Unmittelbarkeit an, die uns in seinen ersten
Liedern so berührt hat.

von Lena Bueche – Oltner Tagblatt / Februar 2019

Tinu Heiniger-Solo im ausverkauften Schwager-Theater 

Wer Geschichten so gut erzählen kann wie Tinu Heiniger, der braucht zur Unterstützung weder eine Band noch Requisiten. In seinem Solo-Programm, mit dem der Mundartmusiker am Freitagabend im ausverkauften Schwager Theater gastierte, genügen eine Gitarre und eine Lesebrille, um Erinnerungen aus seiner Emmentaler Kindheit zum Leben zu erwecken. Dass die Stimme zu Beginn noch brüchig ist und die Gitarrensaiten manchmal knarzen, mag man Heiniger, Jahrgang 1946, verzeihen: Nicht Perfektion, sondern Authentizität macht den Charme seines Vortrages aus. Als das Publikum sich traut mitzusingen, freut er sich («Das Schwager Theater hat neu einen Chor!»). Und greift er zur Klarinette, weiss er mit seinem virtuosen und gefühlvollen Spiel die Zuhörer zu berühren.

Angereichert wird der rund zweistündige Auftritt durch kurze Lesungen aus seinem Buch «Mueterland – Heimat in Geschichten». Viele seiner Lieder sind eine Hommage an musikalische Vorbilder oder auch «Vaterfiguren», wie Heiniger sie nennt. Dazu zählen zum Beispiel Bob Dylan oder der Jazzmusiker Chris Barber. Von diesen und anderen Künstlern entlehnt Heiniger die Melodie und dichtet dazu einen eigenen, berndeutschen Text. So wird aus der bezaubernden «Bocca di Rosa», besungen vom genuesischen Cantautore Fabrizio de André, schlicht «d’Röse». Und der Song «It allways will be» (aus der Feder von Country-Sänger Willie Nelson) erhält den Mundarttitel «Es wird gäng eso si». Auch Schweizer Liedgut findet Eingang in Heinigers Programm; zum Beispiel mit der solothurnischen Komposition «Heimetvogel». Als Zugabe und zur grossen Freude des Publikums stimmt Heiniger einen seiner Klassiker an. Mit dem «Lied vo de Bärge» – eine Ode an seinen Grossvater gewissermassen – schliesst sich der Kreis: Heute ist er es, Tinu Heiniger, der das Alter und das Wissen hat, anderen die Berge zu erklären.

Die wiederholte Auseinandersetzung mit den Vorbildern, die sein Leben und seine Musik geprägt haben, und die Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit deutet der Musiker als «Symptom des Älterwerdens». Wohltuend ist, dass der Rückblick auf die eigenen Wurzeln bei Heiniger nicht zur nostalgischen Verklärung verkommt. Die manchmal schwierige Vater-Sohn-Beziehung beispielsweise wird auch im Nachhinein nicht schöngeredet. Umgekehrt ist keine Verbitterung zu spüren – es geht hier nicht um eine Abrechnung. Vielmehr werden versöhnliche Töne angestimmt: Da scheint doch einer Frieden geschlossen zu haben mit dem, was war.

Auch wenn seine Erzählungen im beschaulichen Emmental spielen, handelt Heiniger universelle Themen ab: die Anziehung zwischen Frau und Mann etwa, den Familienalltag, den Rückzug in die Natur oder das letzte Abschiednehmen vor dem Tod. Allen Betrachtungen gemein ist das Gefühl, dass das, was das Leben ausmacht, aus den flüchtigen Momenten des Zusammenseins besteht. Beziehungen, vergangene und gegenwärtige, werden so zum Stoff unserer Lebensgeschichten.

Bekenntnisse

Das Magazin 03/2008 

Was ich mag

Nachts arbeiten, ausschlafen, im Bad erwachen, meine Klarinette, mein GA, mit meiner Liebsten loswandern, die leere Bahnhofshalle in Zürich, die Metro in Paris, Dampfschiffe, Friedhöfe, Kirchen, Berge, Wälder, Bäche, das Emmental, Kindheitserinnerungen, volle Säle, tolle Gagen, Hodler, Giacometti, Bach, Bob Dylan, Chet Baker, Billie Holiday, Maria Callas, Glen Gould, Robert Altman, Philip Roth, Markus Werner, Pedro Lenz, den SC Langnau, Schlitzohren und Frechdachse.

Was ich nicht mag

Vorbeter, Nachahmer, Mitesser, Wiederkäuer, Hochstapler, Einbrecher, Ausgrenzer, Abzocker, Hohlköpfe, Geizhälse, Dumpfbacken, Schulterklopfer, Bauchpinsler, Schlappschwänze, Lahmärsche, Arschlöcher, Haarspalter, Blutsauger, Nervensägen, Schaumschläger, Schleimscheisser, Klugscheisser, Unterhaltungsbrunzer, Papiertiger, Salonlöwen, Finanzhaie, Hornochsen, Graumäuse, Schmutzfinken, Kampfsäue, Kampfhunde, Lumpenhunde, Sauhunde, Lackaffen, Schafsköpfe, Schafseckel und Saubermänner.